Grafenried

Grafenried [Lučina]

Im südwestlichsten Zipfel des einstigen Bezirkes Bischofteinitz grüßte das nach dem Anschluß des Sudetenlandes an das Deutsche Reich dem oberpfälzischen Landkreis Waldmünchen zugesprochene stattliche Pfarrdorf Grafenried, 1939 mit Pfarrhof und Schule 40 Häuser zählend und 222 Einwohner.

Während 1925 Waldmünchen und Umgebung das 1000jährige Gründungsjubiläum begingen, dürften die Anfänge Grafenrieds, das anfangs „Grauenreuth“ geheißen haben soll, etwa um das Jahr 950 am Ringberg als richtig angesetzt sein. Es gehörte zum Pflegeamt Waldmünchen und wurde 1266 von dem Heerbann des Böhmenkönigs Premysl Ottokar II. zerstört.

1282 wurden allerdings im Urbarium von Niederbayern die Dörfer Grafenried, Anger, Seeg und Haselberg, welche die Hofmark Grafenried bildeten, unter den Besitzungen des Amtes Waldmünchen genannt.

Von der strategischen Bedeutung im finsteren Mittelalter zeugen wohl insbesondere die Flurnamen „Spielberg“ (lateinisch Spicula = Warte, Luginsland) und „Hundsmarch“ (vom Altdeutschen Grund bzw. Kampfplatz). Pflügende Bauern sollen längs der hier vom Chronisten Sommer (1839) beschriebenen Mauer oberhalb des Ortes Anger zahlreiche alte Münzen und Metallstücke zutage gefördert haben, ebenfalls mehrere flache und breite Hufeisen.

Schließlich besagt der Flurname „Mausturm“, daß in Grafenried, als dem ersten Ort in Bayern, die Maut, der Zoll, erhoben wurde.

Daß dieses alte, mehrfach zerstörte Grafenried anderswo als das jetzige stand, entnehmen wir dem Bericht des Pflegers Wolf Pelkhofer vom 12. Januar 1631: „Anfänglich ist Mittwoch nach Ursula anno 1541 von Pfalzgraff Fridrich daß Wardthauß vor dem Waldt, darauf ein Wardt Khnecht gewohnt, Georgen Thomas von Schönlündt vererbt, dabey ein Glaßhütten aufzubauen, 80 Tagwerkh Feldt und 80 Tagw wißmath zu raumen bewilligt und hernach Grauenrieth genandt worden.“

Und so bewegt, wie Zerstörung und Wiederaufbau Grafenrieds wechselten, erging es auch der Grenzziehung dieses hart umkämpften Stückchens Heimaterde, das 1708 zur Krone Böhmens kam, 1938 aber wieder zu Bayern zurückkehrte, 1945 wieder böhmisch gemacht wurde.

Nach dem Tode des Georg Thumbs von Schönlind erhielten dessen Sohn Andreas und seine Geschwister die Grafenrieder Glashütte, welche sie 1580 an Georg Pelkhofer von Mooswang veräußerten. Dieser war ein ausgezeichneter Geschäftsmann und vergrößerte den Besitz auf ein Freigut. 1613 übergab er das Gut seinem Sohn Wolf Eytl um 5000 Gulden, behielt sich aber 2 Glashütten, mehrere Felder und Wiesen und ein großes Ausgedinge vor.

Wolf Eytl Pelkhofer von Mooswang gründete auch noch die Dörfer Anger und Seeg. Er wurde jedoch als Kalviner gezwungen, das Gut, das dann mehr und mehr verwahrloste, zu verlassen. 1634 kehrte er mit den Schweden zurück. Das Gut wurde von diesen dermaßen ausgeplündert, daß er an den Kurfürsten schrieb: „Das Kriegsvolkh hat mein Guat Grauenreith dermassen ausgeplündert, daß es (Leyder Gott sey es geklagt) Elend und wueßte und vast umb alles khommen.“ 1635 starb er, 1637 verkaufte die Witwe Anna Margaretha Pelkhofer, geb. Stuißin von Görnitz, Grafenried an Georg Gerl, Glashüttenmeister von St. Katharina „in der Cron Böhaimb“ um „3000 Gulden und 50 Reichstaler leykauff“ auf Ratenzahlungen.

Gerl hob das Gut bedeutend. Die öde Glashütte verlegte er an einen Wald bei Seeg, den Untertanen baute er Schafställe und führte die Schafzucht ein. 1652 kaufte er 30 Tagwerk Grund dazu und siedelte auch in Anger, 1656 in Grafenried selbst Untertanen an. Auch das Brauhaus baute er wieder auf. 1667 übergab er den Besitz seiner Tochter Maria und ihrem Gemahl Georg Werner, Glashüttenmeister von Schönau. Dieser starb 1677, und die Witwe bewirtschaftete das Gut bis 1680, dann übernahm es ihr dritter Sohn Hanuß Thomas Werner. 1697 wurde ihm und allen zukünftigen Besitzern von Grafenried nach Erlegung von 400 Gulden die Real-Landsassenfreiheit verliehen.

1708 schlossen Graf Heinrich Stadion und Johann Thomas Werner einen Vergleich, worin Werner auf die Waldnutzungen von Arnstein bis Grafenried verzichtete, dafür aber alle Waldungen hinter Grafenried als unbeschränktes Eigentum erhielt. So war Grafenried ein beachtliches Gut mit Eigenwaldungen von 1300 Joch. 1713 übernahm der Sohn Franz Xaver Werner das Gut. 1718 wurde die Familie Werner vom Kaiser in den Reichsfreiherrnstand erhoben.

Den Besitz bewirtschaftete Franz Xaver Werner zugleich mit seiner Gemahlin Barbara Rebekka Voith von Voithenberg bis 1764, dann erhielten es ihre Tochter Anna Katharina und ihr Gemahl Otto Heinrich Müller von Altammerthal und Frohnhofen. 1772 starb Otto Heinrich Müller. Die Mutter bewirtschaftete das Gut bis zur Großjährigkeit ihres Sohnes Franz Xaver Müller im Jahre 1780. Im selben Jahr heiratete dieser die Gräfin Maximiliana von Überacker und Sichartstein und übernahm den Besitz, doch auch er starb bereits im Jahre 1783, zwei Töchter hinterlassend, und die Witwe Anna Katharina Müller, geb. von Werner, erhielt das Gut zurück und verwaltete es nochmals bis zu ihrem Tode im Jahre 1796.

Hierauf bewirtschaftete der Vormund der beiden Töchter, Christof Freiherr von Wiedersperg, das Gut Grafenried, bis 1801 Josef Freiherr Voith von Voithenberg auf Herzogau, der die älteste Tochter Maria Theresia Müller von Altarnmerthal und Frohnhofen ehelichte, Miteigentümer wurde.

Das Gut wurde damals mit 30 406 Gulden 42 Kreuzer in die Landtafel eingetragen. Genannter übergab 1842 den Besitz seinem Sohn Reichsfreiherr Josef Voith von Voithenberg, welcher ihn am 8. April 1872 an den tschechischen Grafen Belcredi, Gutsbesitzer in Mcel, für 205 000 Gulden verkaufte.

Am 7. Januar 1874 kaufte die Genossenschaft der Grafenrieder Bauern und Häusler, 78 an der Zahl, das Gut für 146 000 Gulden. Am 29. Juni 1876 faßten sämtliche Besitzer den Beschluß, das Gut zu parzellieren. Sein Ausmaß betrug 1872: 97 Joch 924 Quadratklafter Felder, 73 Joch 413 Quadratklafter Wiesen, 1 Joch 469 Quadratklafter Gärten, 14 Joch 1099 Quadratklafter Hutweiden, 809 Joch 1150 Quadratklafter Wald. Reinertrag: 2533 Gulden Ö.W.

Die Besitzer Grafenrieds waren seit 1708 sowohl königlich böhmische als auch kurfürstlich oberpfälzische Landsassen, da ja ein Teil des Gutes in Bayern verblieben war, und leisteten auch den oberpfälzischen Landsasseneid.

Für das Jahr 1688 wird in Grafenried zunächst eine Kapelle bezeugt, die vermutlich nach dem Dreißigjährigen Krieg Georg Gerl erbauen ließ. 1750 durfte Franz Werner auf eigene Kosten einen Schloßkaplan halten, 1751 wird das Kirchlein zu Grafenried als ein uraltes St.-Georgi-Kirchel bezeichnet. Als 1753 endlich gestattet wurde, daß alle die hl. Messe an Sonn- und Feiertagen in diesem Kirchlein feiern durften, erwies es sich als viel zu klein. Gehörte früher der Ort zur Pfarrei Waldmünchen, dann zu Ast, so kamen die Grafenrieder von 1782-1786 zur Pfarrei Wassersuppen. Am 21. März 1786 aber wurde die von Baronin Anna Katharina Müller von Altammerthal und Frohnhofen an Stelle der genannten Schloßkapelle neuerbaute Kirche mit Hofdekret zur Lokalie erhoben. Und am 28. September 1808 erfolgte die Erhebung zur Pfarre.

Die Kirche stand rechts der Straße Grafenried-Anger auf einer Anhöhe. Der Hochaltar war dem Kirchenpatron St. Georg gewidmet, rechts im Kirchenschiff befand sich der Marien-Seitenaltar mit der Muttergottes und dem Jesuskind sowie das Bild der „Schönen Maria von Grafenried“, links war der Herz-Jesu-Seitenaltar mit dem Taufbecken. 1906 wurde die Kirche renoviert und erhielt ein wunderschönes Deckengemälde. Die Mittagsglocke stammte aus der alten Kapelle und war 1775 in Stadt am Hof von Johann Erhardt Klißner umgegossen und vergrößert worden. Sie enthielt das Wernersche Wappen und das Bildnis des hl. Johannes von Nepomuk. Diese Glocke wurde 1905 von R. Perner zu Budweis nochmals umgegossen und wog 95 kg. Die zweite Glocke, mit Bildern der hl. Dreifaltigkeit und denen des hl. Petrus und Paulus geschrnückt, befand sich früher im aufgelassenen Dominikanerkloster in Pilsen und wurde 1884 umgegossen. Die dritte kleinere Glocke wurde schließlich 1740 von Silvius Kleeblatt in Amberg gegossen und aus der Blasiuskapelle zu Pilsenetz nach Grafenried gebracht. Zwei Glocken fielen dem ersten Weltkrieg zum Opfer. Den Zwiebelturm krönte ein Kreuz mit drei Quersprossen. Die Kirche hatte ferner eine „bayerische“ und eine „böhmische“ Sakristei. Der letzte deutsche Seelsorger war Pfarrer Josef Gerl.

Vor 1740 sorgte die Herrschaft für den Schulunterricht, dann gab der gelähmte Paul Lugschneider aus Haselberg 27 Jahre denselben. 1874 wurde das Schloß mit dem Garten zu Schulzwecken erworben und eingeweiht. Eingeschult waren nebst Grafenried selbst Anger mit Dietlhof und Seeg mit allen Einschichten. Der letzte Schulleiter war Oberlehrer Heinrich Schödlbauer.

Die Freiwillige Feuerwehr wurde auf Anregung 1883 gegründet und mit einer Handdruckspritze ausgerüstet. 1892 widmete Freifrau Therese von Stein eine kostbare Fahne. Die Feuerwehr zählte 1913 84 Mitglieder, der Land- und Forstwirtschaftliche Verein 28 und der Gesangverein 25. Um 1880 wurde Grafenried Sitz einer Gendarmeriestation. Als Bahnstation war Waldmünchen günstiger als Ronsperg.

Wies 1789 der Ort Grafenried 24 Nummern auf, so war er 1839 auf 31 Häuser mit 305 Einwohnern angewaschsen und 1913 auf 38 Häuser mit 289 Bewohnern. Das Flächenausmaß der Gemeinde betrug 1937 1435,50 ha, wovon 274,48 ha Äcker, 230,97 ha Wiesen, 3502 ha Weiden, 854,81 ha Wald und 10,47 ha Gärten waren.

Nach Grafenried waren auch die Ortschaften Anger, Seeg und Haselberg samt deren Einschichten eingemeindet, so daß die Zahl der Häuser im Jahre 1939 147 und die der Einwohner 801 ausmachte.

Am 15.und 16. April 1945 beschoß amerikanische Artillerie von Weiding aus Grafenried. Dabei kamen Ortsbewohner ums Leben, und die Kirche und einige Bauernhäuser wurden beschädigt.

1959 wurde die Pfarrkirche St. Georg von tschechischem Militär in die Luft gresprengt. Von diesem barbarischen Akt kann heute noch der Trümmerhaufen betrachtet werden.

Josef Bernklau und Alfred Piwonka nach Josef Vogl