Weissensulz [Bělá nad Radbuzou]
Am Zusammenfluß des Pössigkauer Baches und der Radbusa lag, zwischen sanften Hügeln eingebettet und von der nach Eisendorf führenden Kreisstraße durchzogen, die Marktgemeinde Weißensulz, eine Haltestation der nach Haid, Tachau und Plan führenden Lokalbahn.
In seiner Chronik berichtete der böhmische Chronist Cosmas, daß Deutsche 1121 auf einem steilen Felsen unweit von Weißensulz eine Burg erbauten, welche Herzog Wladislaus zerstörte. Alt-Weißensulz entstand aus einer Grenzwachstation der Pfraumberger Choden und war vom 12.-15. Jahrhundert auch Sitz eines Chodengerichts. Den Choden, in deren Reihen mit der Zeit sehr viele Deutsche standen, oblag die Bewachung der böhmischen Landesgrenze, die mit zahlreichen Privilegien honoriert wurde. Die Grenze zwischen den Pfraumberger Choden und den Tauser Choden verlief längs der Straße Hostau- Muttersdorf-Rindl-Waier-Schwarzach.
In der Zeit von 1250 bis etwa 1429, als in Böhmen die zumeist deutschfreundlichen Přemysliden bzw. Luxemburger herrschten, setzte sich das deutsche Element in diesem Gebiet bereits entscheidend durch, was seinen Ausdruck vor allem auch darin fand, daß sich der deutsche Ortsname Weißensulz einbürgerte und die von 1331-1337 ausgestellten Freiheitsbriefe in deutscher Sprache verfaßt waren.
In den Hussitenkriegen hatten Land und Leute viel zu leiden, und weil die Not fast unerträglich geworden war, ordnete Kaiser Sigmund auf Bitten der zum Pfraumberger Gebiet gehörigen Dörfer an, daß die Burggrafen für die Dauer eines Jahres von den Bewohnern dieser Dörfer keine Steuern, keine Robot und andere Hilfeleistungen verlangen dürften.
Nach dem Jahre 1628 gehörte Weißensulz dem Freiherrn Wolf Laminger von Albenreuth. Dieser wurde, wie sein Bruder Wolf Friedrich, verurteilt, verlor das Gut Weißensulz, Burg und Dorf mit dem Meierhof und 60 Untertanen, unter denen sich 46 mit Bezügen und 14 Kaluppner mit Zugehör befanden, welche er vorerst um 10 996 Schock, dann um 26000 Schock meißn. im Jahre 1624 seinem Bruder abgetreten hatte. Als dieser die Schuldlosigkeit seines Bruders, der indessen im Militärdienst gestorben war, nachgewiesen hatte, wurde die Ehre des Verstorbenen restituiert. Das Gut Weißensulz wurde seinem Bruder Wolf Wilhelm gegen Bezahlung der Schulden von 3000 Schock meißn. und Entrichtung von 7702 Gulden an die Witwe des Bruders, eine geborene Kfelirsch, überlassen, ebenso das Kapital von 250 Schock meißn. nach dem Bruder.
1839 berichtete Sommer, daß Weißensulz der eigentliche Amtsort der vereinigten Herrschaft Heiligenkreuz-Weißensulz war, denn im hiesigen Schloß befand sich der Sitz des Direktorial- und Steueramtes. Auch war hier ein herrschaftliches Bräuhaus auf 22 Faß, 1 Branntweinbrennerei, 1 herrschaftlicher Meierhof mit Schäferei, 1 Einkehrwirtshaus und 3 Mühlen.
1913 wies der dem Freiherrn Kotz von Dobrz in Heiligenkreuz gehörende Meierhof ein Ausmaß von 132,80 ha auf.
Im Jahre 1696 war von der Gräfin Anna Theresia von Metternich, geb. Zucker von Tamfeld, Besitzerin von Heiligenkreuz, der Grund zur Kirche gelegt worden. Die Einweihung erfolgte am 29. September 1697. Im Jahre 1700 stiftete die Gräfin eine Kaplanstelle. Der Kaplan hatte die Verpflichtung, an Sonn- und Feiertagen für diejenigen, welche dem Gottesdienst in Heiligenkreuz nicht beiwohnen konnten, eine hl. Messe zu lesen und an Marientagen zu predigen. Der erste Kaplan war Benedikt Foti aus dem Kloster Kladrau gewesen, welcher über 70 Jahre in Weißensulz gewirkt hatte. 1785 wurde die Pfarre Weißensulz errichtet und 1786 der erste Pfarrer, D. Adalbert Rauscher, zuletzt Kaplan in Eisendorf, eingesetzt. Nach Errichtung der Weißensulzer Pfarre war der Heiligenkreuzer Schloßkaplan verpflichtet, hier Aushilfe zu leisten.
1786 wurden die Dörfer Zemschen, Pössigkau, Pabelsdorf und Tutz nach Weißensulz eingepfarrt, am 14. Oktober 1816 aber wieder getrennt und der Lokalie Tutz zugeteilt.
Am 2. September 1826 wurde die der Schmerzhaften Maria geweihte Kirche zu Weißensulz ein Raub der Flammen. Freiherr Wenzel Kotz von Dobrz ließ sie wieder aufbauen und vergrößern. Der abgebrannte Turm wurde ganz neu und mit verzinktem Blech eingedeckt und 1827 im Turmknopf folgende Denkschrift hinterlegt: „Im Frühjahr 1827 hat diesen Turm wieder herstellen, denselben mit Blech eindecken und mit 3 Glocken versehen lassen der Hoch- und Wohlgeborene Reichsfreiherr Wenzel Kotz von Dobrsch, Sr. apostolischen Majestät wirklicher Kämmerer, Ritter des kaiserlichen österreichischen St. Leopold- Ordens, Oberstwachtmeister in der k. k. Armee, Herr der Herrschafl Heiligenkreuz, Weißensulz und Eisendorf, gnädigster Patron dieser Kirche. Gottes Segen aber ihn und seine Nachkommen.“
Die vom Glockengießer Karl Bollmann in Prag gegossenen Glocken waren dem hl. Wenzel, dem hl. Christian und dem hl. Florian geweiht. Pfarrer war damals Laurenz Seitz. Nach Liebscher wurde die Pfarrkirche, deren Hochaltar aus buntem Marmor ist, am 15. Mai 1846 von Bischof Lindauer geweiht.
Eingepfarrt waren zuletzt nach Weißensulz Bärentanz, Neuhof, Schmolau, Zetschin, Tschernahora, Roudnitz, Hankasäge, Neuhofer Mühle, Oberhammer, Schwarzweiher, Wassersäge und die Ziegelhäuser.
1789 zählte Weißensulz, dessen Ursiedlung der Schmiedlplatz gewesen sein mag und das vom Bahnhof bis zum letzten Haus in der Bayernstraße eine Länge von über 2 km aufwies, 148 Nummern und ein Schloß.
1839 hatte es 175 Häuser mit 1449 Einwohnern. Die erste Gemeindevorsteherwahl fand im Jahre 1850 statt, wobei Andreas Martinka zum Gemeindeoberhaupt gewählt wurde. Unter ihm begann der sog. Waldprozeß, der zwar in der ersten Instanz verlorenging, aber nach einer Audienz des Vorstehers Martinka bei Kaiser Franz Josef I. im Jahre 1867 wieder aufgenommen und 1870 gewonnen wurde. Er brachte der Gemeinde Weißensulz einen Genossenschaftswald im Ausmaß von 315 Joch bzw. 182 ha ein. Martinka erreichte auch, daß Weißensulz ein Postamt erhielt, und wurde dessen erster Postmeister. 1878 wurde die Volksschule dreiklassig. 1875 wurde die Gemeinde zum Markt erhoben und es konnten vier Jahrmärkte erkämpft werden. Zwischen 1892 und 1895 wurde das neue, fünfklassige Volksschulgebäude (Nr. 28) vollendet.
Am 1. August 1901 wurde Weißensulz von einer Hochwasserkatastrophe und 1902 yon einem Wirbelsturm heimgesucht, die erhebliche Schäden anrichteten und die Hilfe des Staates erforderlich machten. Um 1900 begannen auch die Verhandlungen betreffs des Bahnbaues der Strecke Taus-Tachau.
Unter Bürgermeister Franz Kuttner wurde die Bahnstrecke von 1908-1910 gebaut, die am 1. August 1910 feierlich eröffnet wurde. Während des Bahnbaues wurde auch an Stelle der hölzernen Brücke über die Radbusa beim Hause Nr. 129 durch den Maurermeister Johann Pöhnl eine Betonbrücke erbaut. In diese Zeit fiel auch die Erwerbung des Glauberhauses am Marktplatz (Nr. 202) als Amtsgebäude sowie die zweite Friedhofserweiterung nach Süden gegen den Kirchenberg (1912). Schwere Lasten legte der Bevölkerung der erste Weltkrieg auf, in dem aus der Pfarrgemeinde Weißensulz 80 Opfer gefordert wurden.
Die Bemühungen um Bürgerschule und Elektrifizierung wurden von Bürgermeister Peter Spörl (Nr. 125), der von 1923-1927 mit Umsicht und Tatkraft amtierte, energisch fortgesetzt. Spörl verwiklichte den Ausbau des Ortsnetzes und am Heiligen Abend 1924 erstrahlte Weißensulz in festlicher Beleuchtung. 1930 wurde schließlich vom Landesausschuß und 1931 auch vom Landesschulrat die Errichtung der Weißensulzer Bürgerschule genehmigt. Der Unterricht aber mußte vorerst noch im Volksschulgebäude erteilt werden, was zur Folge hatte, daß zwei Volksschulklassen in die Gebäude Nr. 49 und 55 verlegt werden mußten.
Von 1932-1939 folgte nun der Spitzenfabrikant Ferdinand Wild (Nr. 129) als Bürgermeister. Der Bau der Bürgerschule, zu welchem er erhebliche Mittel beisteuerte, und die Bachregulierung fielen in seine Amtszeit. Die Verschönerung des Ortes förderte er auf verschiedene Weise. Die Erbauung des Feuerwehrgerätehauses, die Errichtung der Anlage für das Kriegerdenkmal und die Verlegung desselben dorthin u. a. m. fanden ebenfalls seine finanzielle Unterstützung. Seiner und der Initiative des früheren Bürgerrneisters Spörl war es mit am meisten zu verdanken, daß die Bürgerschule auf Luchsens Gartenacker erbaut wurde. Hoch über dem Ort gelegen, dennoch im Ort selbst noch und vor allem abseits des Verkehrs, war das eine ideale Lösung.
Im Jahre 1786 zählte Weißensulz 1008 Einwohner, 1836 waren es 1438 (dazu kamen noch 23 Juden). Die von den Juden bewohnten Häuser waren früher mit römischen Ziffern von 1 bis IV bezeichnet. Dazu gehörten u. a. die Häuser Nr. 199, 200 und 201. 1886 zählte der Marktflecken 1863 Bewohner, 1913 1834 in 237 Häusern, und 1939 wies Weißensulz 353 Häuser mit 1858 Einwohnern auf. Es war nicht stadtmäßig gebaut, doch aus welcher Richtung man sich dem Ort auch näherte, grüßten neben dem friedlich aufzeigenden Kirchturm auch der stolze Bau der neuen Bürgerschule vom Schlöglberg und die vielfach ansehnlichen Häuser des aufstrebenden Marktfleckens, dem zuletzt fünf Markttage genehmigt waren, und zwar Montag nach dem 3. Fastensonntag (Okuli), Montag vor Pfingsten, Montag nach Maria Himmelfahrt, Montag nach dem 1. Adventssonntag. Der größte Markttag aber war am Kirchweihfest, welches am Sonntag vor dem 28. September gefeiert wurde. Dieser Markt war von Verkäufern aus der näheren Umgebung, aber auch von solchen aus Eger, ja sogar aus Reichenberg beschickt.
Obwohl sich die Einwohnerschaft überwiegend landwirtschaftlich betätigte und es auf Grund ihres angeborenen Fleißes und ihrer Tüchtigkeit – was auch in handwerklichen bzw. gewerbetreibenden Zweigen zum Ausdruck kam – zu einem gesunden Wohlstand brachte, fanden zahlreiche Weißensulzer lohnenden Verdienst im Altreiche, ebenso in den nordegerländischen Kurorten. Viele Mädchen waren auch in der Toledostickerei Wild beschäftigt.
Neben der Volks-, Bürger- und der Fortbildungschule wies Weißensulz einen Kindergarten auf, hatte ein Reichsbahnausbesserungswerk, war Bahnstation, hatte ein Post-, Telegrafen- und Fernsprechamt, 1 Brauerei, 1 Meierhof, 1 Spitzenfabrik, 1 Raiffeisenkasse, 1 Bankfiliale, 1 Lichtspieltheater, 2 Kunstmühlen, 1 Sägewerk, 10 Gastwirtschaften (davon 3 mit Sälen), 8 Fleischereien, 3 Bäckereien, 1 Limonadenerzeugung, 1 Konditorei, 1 Obst- und Gemüsehandlung, 4 größere und mehrere kleinere Lebensmittel- bzw. Textilgeschäfte, Schuhgeschäfte sowie Baugeschäfte, Schneider, Sattler, Tapezierer, Maler, Tischler, Glaser, Ofensetzer, Eier-, Butter- und Geflügelhändler usw.
An Vereinen gab es 1913 die Feuerwehr (143 Mitglieder), Veteranen (72), Lese- und Unterhaltungsverein (23), Landwirtschaftliches Kasino (91), Deutscher Böhmerwaldbund (37), Bund der Deutschen (123), Deutsche Sängerrunde „Edelweiß“ (81), Schulverein (46), Spar- und Darlehenskassenverein, Land- und forstwirtschaftlicher Bezirksverein, Rindviehzuchtverein (117), Bienenwirtschaftlicher Verein. Später kamen hinzu: Sportverein, Verschönerungsverein, Kriegerverein, Gesang- und Musikverein. Letzterer leistete mit seiner Laienspielgruppe unter der Leitung seines Chorleiters und der Lehrerschaft viel Anerkennungswertes, zumal auch die Bevölkerung stets sehr schul- und bildungsfreundlich war. Leider fanden zahlreiche männliche Mitglieder im zweiten Weltkrieg, der die Opfer des ersten Weltkrieges weitaus übertraf, ihr Grab in fremden Landen.
Als besonders erwähnenswert seien schließlich noch die drei Weißensulzer Brücken angeführt. Eine davon führte über den Pössigkauer Bach, die beiden anderen über den Weißbach, auch Radbusa genannt. Die schönste und unumstritten auch die einladendste war die unter Denkmalschutz gestellte „Untere Brücke“. Sie wurde unter der Herrschaft der Reichsgräfin von Metternich im verkleinerten Maßstab der weltbekannten Prager Karlsbrücke nachgebaut, besaß acht Durchlässe und trug zu beiden Seiten überlebensgroße, aus Stein gehauene Heiligenfiguren. Als Fundament für den Standort dieser Statuen wurden die Brückenpfeiler verbreitert, so daß in den Seitenmauern Nischen ausgespart werden konnten. Diese Statuen stellen folgende Heilige dar: Vom Ort gegen den Bahnhof auf der linken Seite den Erzengel Michael mit dem Flammenschwert, den Landesheiligen Johann von Nepomuk und den hl. Josef, auf der rechten Seite Maria, die der Schlange den Kopf zertritt, in der Mitte den zweiten Landesheiligen, Herzog Wenzel, und den hl. Prokop.
Im zweiten Weltkrieg wollte ein Sprengkommando dieses heimatliche Kleinod sprengen, was jedoch – dank der Intervention des Bürgermeisters – verhindert werden konnte.
Josef Bernklau nach Karlmann Pöhnl und Gemeindesekretär Wenzel Pöhnl